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23. März 2023

Brandbrief zur Krabbenfischerei

David McAllister MdEP | Jens Gieseke MdEP | Niclas Herbst MdEP

Sehr geehrter Herr Kommissar,

die Europäische Kommission hat am 21. Februar 2023 einen „Aktionsplan zum Schutz und zur Wiederherstellung von Meeresökosystemen für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei“ vorgestellt. In diesem hält sie die Mitgliedstaaten dazu an, sich stärker für eine nachhaltige Fischerei zu engagieren.

Eine der Maßnahmen, die Sie zu diesem Zweck vorgeschlagen haben, ist das Verbot der Nutzung von Grundschleppnetzen in allen Natura 2000-Gebieten bis 2024 sowie ein vollständiges Verbot in jeglichen marinen Schutzgebieten bis 2030. Dies hätte für die deutschen Küsten bereits im nächsten Jahr vielerorts das Aus der traditionellen Krabbenfischerei zur Folge. Kein anderer Mitgliedstaat hat so große Anteile seines Hoheitsgebiets zu Meeresschutzgebieten erklärt wie Deutschland. In der deutschen Nordsee sind der allergrößte Teil der Küstengewässer und große Bereiche in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) als Natura 2000-Gebiete ausgewiesen. Hinzu kommt, dass die Fanggebiete der Fischer durch Umweltschutzmaßnahmen, den Ausbau der Offshore Windkraft oder andere Maßnahmen der Energieversorgung bereits jetzt erheblich eingeschränkt sind. Beispielsweise ist die norddeutsche Krabbenfischerei auf den Fang im Nationalpark Wattenmeer, der maßgeblich von einem Grundschleppnetzverbot betroffen wäre, angewiesen. Insbesondere kleine Betriebe haben keine Ausweichmöglichkeiten.

Dies ist vor allem insofern schwer nachvollziehbar als der Marine Stewardship Council (MSC) den grundberührenden Fang in seinen Statuten als nachhaltig definiert, weil er geringe und reversible Auswirkungen auf den Meeresboden hat. Aus welchem Grund also droht dieser bewährten Fischereipraxis nun das totale Berufsverbot?

Zeitgleich ist die Europäische Union schon heute auf Weißfischimporte angewiesen, die von Grundschleppnetzfischern aus Drittländern gefangen werden: 70 Prozent der in Europa konsumierten Meeresfrüchte werden importiert. Warum hält die Kommission die Mitgliedstaaten zusätzlich an, Gesetzgebung zu schaffen, die die wirtschaftlichen Existenzen einer ganzen Branche zerstört und die Europäische Union zeitgleich noch stärker von Krabben- und Fischimporten aus Drittstaaten abhängig macht?

Sollte dem nicht so sein, möchten wir Sie bitten, den deutschen Krabbenfischern andere Fanggerätschaften zu nennen, mit denen sie Krabben, Muscheln oder auch Plattfische wirtschaftlich auskömmlich gewinnen können. Solange die Europäische Kommission dies nicht kann, kann man ihr nur Gleichgültigkeit gegenüber dem wirtschaftlichen und persönlichen Schicksal der Küstenfischer unterstellen. Diese Gleichgültigkeit schmerzt, wenn man sich vor Augen führt wie prägend vor allem die Krabbenkutter für die deutsche Nordseeküste und den Tourismus sind. Zeitgleich ist sie ein Affront gegen die deutschen Fischereiinteressen und weder den Fischern noch den Menschen vor Ort zu vermitteln.

Die Küstenländer und die Fischer stellen sich bereits den gesellschaftlichen Anforderungen ökologischer Nachhaltigkeit. Dafür sind zwei Bespiele exemplarisch:

Erst kürzlich ist ein mehrjähriger Prozess zu den Fischereimanagementmaßnahmen in den Natura 2000 Gebieten der Nordsee zu Ende gegangen. In diesem Rahmen wurde eine delegierte Verordnung veröffentlicht, die durch das neue Maßnahmenpaket vollständig ad absurdum geführt wird.

Daran anknüpfend hat die Kommission erst Ende letzten Jahres das deutsche Programm zum Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds genehmigt. In diesem Rahmen sollen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die deutsche Fischerei zukunftsfähig und umweltverträglich zu gestalten. Ein pauschales Verbot bestimmter prägender Fischereien wirkt diesen Anstrengungen massiv entgegen.

Maßnahmen zum Schutz des Meeresbodens sind notwendig. Marine Schutzgebiete haben unterschiedliche Schutzziele. Sie werden zum Schutz natürlicher Ressourcen wie Säugetiere, Vögel oder Schildkröten eingerichtet, oftmals nicht zum Schutz des Meeresbodens. Die Bewirtschaftungsmaßnahmen werden dabei an die jeweiligen lokalen Gegebenheiten angepasst. Diese Vorgehensweise macht Sinn und unterscheidet sich deutlich von Ihrem Ansatz eines pauschalen Verbots.

Daher möchten wir Sie bitten, den Vorschlag eines Verbots der grundberührenden Fischerei im Aktionsplan der Kommission ersatzlos zu streichen. Gleichzeitig möchten wir Sie nach Niedersachsen oder Schleswig-Holstein einladen, um sich über die potentiellen Auswirkungen eines solchen Verbots zu informieren und das direkte Gespräch mit den Fischern vor Ort zu suchen.

Frau Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ebenfalls in Niedersachsen zu Hause ist, erhält eine Kopie dieses Schreibens.

Mit freundlichen Grüßen

David McAllister, Jens Gieseke, Niclas Herbst