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16. Januar 2018

Flüchtlingspolitik: Faire Quote für ALLE EU-Mitgliedstaaten

Gesetzgebung ist komplexer als Spiegel-Schlagzeilen. Das Europäische Parlament hat im November endlich mit Mehrheit beschlossen: Flüchtlinge müssen fair auf ALLE EU-Länder verteilt werden. In diesem Beschluss haben Linke und Grüne allerdings mit Mehrheit einen weiten Familienbegriff eingebracht und gefordert: Aufnahme von Flüchtlingen dort durchführen, wo schon Familienangehörige leben. Das haben wir als CDU-Abgeordnete kritisiert. Das Papier wird jetzt zwischen Parlament und Rat diskutiert. Wir arbeiten engagiert daran, dass dabei der enge Familienbegriff bestehen bleibt. Deutschland und Schweden dürfen nicht die Hauptlast von neu ankommenden Flüchtlingen tragen. Genau das aber will die faire QUOTE verhindern. Daran müssen wir weiter europäisch arbeiten.

Hier die Stellungnahme der CDU/CSU-Gruppe in der EVP:

Dublin-Verordnung: Positive Aspekte der EP-Verhandlungsposition zu Dublin (Wikström-Bericht)

1. Gerechte Lastenverteilung (Quoten) bei Aufnahme von Flüchtlingen und subsidiär Geschützten zwischen allen Mitgliedsstaaten
Im November 2017 hat das Plenum die Verhandlungsposition des Europäischen Parlaments zu der Reform des Dublin-Systems beschlossen. In der Dublin-Verordnung wird definiert, wie über die Zuständigkeit für Asylverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten entschieden wird. Der EVP-Fraktion ist es gelungen, erstmals eine Mehrheit für eine faire Lastenteilung zwischen allen Mitgliedsstaaten und somit für eine Umverteilung von Flüchtlingen und subsidiär Geschützten in Form von verbindlichen Quoten zu erreichen.

2. Einführung eines neuen Transitverfahrens zum Ausschluss und zur Rückführung von Wirtschaftsmigranten und Sicherheitsgefährdern
Über ein noch nicht festgelegtes Transitverfahren im Ersteinreiseland soll die Identifizierung von Wirtschaftsflüchtlingen und Sicherheitsgefährdern gewährleistet werden, damit diese sofort zurückgeführt und nicht in andere Mitgliedsstaaten umverteilt werden. Problem: Dieses Verfahren an sich existiert noch nicht und müsste im Zuge der Verhandlungen über die neue Verfahrensverordnung geregelt werden.

3. Sanktionen bei Nichtregistrierung und Verweigerung der Aufnahme von Flüchtlingen
Ersteinreiseländer, die ihrer Verpflichtung zur Registrierung aller ankommenden Personen nicht nachkommen und Mitgliedstaaten, die die Aufnahme von Flüchtlingen verweigern, sollen finanziell sanktioniert werden (Nichtauszahlung von Geldern aus Struktur- und Kohäsionsfonds). Durch eine faire Verteilung der Flüchtlinge wird Deutschland, das bis heute die Hauptlast der Flüchtlingsverteilung trägt, massiv entlastet.

4. Sanktionierung von Falschangaben durch Asylbewerber bei der Familienzusammenführung
Wenn ein Asylbewerber im Ersteinreiseland falsche Angaben zu seinen angeblichen familiären Beziehungen in dem von ihm ersehnten Zielland macht, soll er durch den Korrekturmechanismus automatisch einem anderen Mitgliedsstaat zugeteilt werden (siehe Absatz „Familienzusammenführung“).

5. Sanktionen bei Nicht-Einhaltung der Pflichten durch Asylbewerber
Der neue Korrekturmechanismus greift auch, wenn ein Asylbewerber seiner Pflicht nicht nachkommt, sich im Ersteinreiseland registrieren zu lassen und plötzlich im Mitgliedsstaat seiner Wahl „auftaucht“. Er wird dann automatisch in den Korrekturmechanismus aufgenommen und auf einen anderen Mitgliedsstaat umverteilt. Im Falle Deutschlands: Falls ein Asylbewerber nicht mit dem Flugzeug ankommt oder mit dem Fallschirm über Deutschland abspringt, muss er ein anderes Ersteinreiseland passiert und sich dort registriert haben lassen. Wenn er dies nicht tut, scheidet Deutschland automatisch als Wunschdestination aus. Der Asylbewerber wird umverteilt, oder wenn er Wirtschaftsmigrant ist, in das Ersteinreiseland oder in seine Heimat rückgeführt. Dadurch werden Asylshopping und Sekundärbewegungen von Asylbewerbern vermieden.

Mit den Sanktionen gemäß Punkten 3, 4 und 5 soll die gängige Praxis, nach der Flüchtlinge vor ihrer Registrierung abtauchen oder die Behörden des Erstaufnahmelandes die Flüchtlinge ohne Registrierung weiterreisen lassen, unterbunden werden.

 

Problematische Punkte in der Verhandlungsposition des EP (Wikström-Bericht)

1. Ausweitung des Familienbegriffs
Mit der Mehrheit der Stimmen von Linken, S&D, Grünen und Liberalen und gegen die meisten Stimmen von EVP und ECR wurde die Definition der Familie um Geschwister erweitert. Änderungsanträge aus der EVP-Fraktion (u.a. von CSU-Kollegin Monika Hohlmeier), die bereits im Kommissionsentwurf vorgesehenen Geschwister aus dem Familienbegriff zu streichen, um eine Überlastung des Systems zu verhindern, wurden mit eben dieser Mehrheit abgelehnt. Da die Definition der Familie grundlegend jedoch in der Asylqualifikationsverordnung geregelt wird und dann in allen anderen Verordnungen und Richtlinien des Asylpakets übernommen wird, ist klar, dass die Dublin-Verordnung hierfür nicht federführend ist. Die EVP hat sich deshalb entschlossen, der von Frau Wikström vorgeschlagenen Kompromissverhandlungsposition zuzustimmen, um einen parlamentarischen Anstoß für ein faires Lastenverteilungssystem (Quoten) zu geben. Die EVP-Fraktion wird im Rahmen der Verhandlungen auf der Seite des Rats für eine Beibehaltung des engen Familienbegriffs eintreten, wie bereits beim letzten Asylpaket erfolgreich praktiziert.

2. Familienzusammenführung
Die EVP stand dem rechtlich unpräzisen Ausdruck „sufficient indicators that the applicant has family members and/or relatives in the Member State he or she claims“ sehr kritisch gegenüber. Grundlegend ist die EVP nicht gegen eine Zusammenführung von Eltern und Kindern, die sich bereits auf dem EU-Territorium befinden, lehnt jedoch jegliche Einbeziehung von erwachsenen und/oder verheirateten Geschwistern (siehe Absatz „Ausweitung des Familienbegriffs“) in dieser Zusammenführung strikt ab, da dies einen, wie die Erfahrungen zeigen, starken Pull-Faktor für den Zuzug von Großfamilienclans auslöst. Die von Frau Wikström geplante vereinfachte Familienzusammenführung soll nur dann greifen, sofern Nachweise, die eine familiäre Beziehung zweifelsfrei belegen, vorgelegt werden können. Die Art der zu erbringenden faktischen Nachweise soll der Kompetenz der Mitgliedstaaten unterstehen. Sofern sich die Behauptung einer familiären Beziehung nach dem erfolgten Nachzug nicht bestätigt, wird der Asylbewerber durch eine automatische Aufteilung auf einen anderen Mitgliedstaat sanktioniert. Damit sollen Flüchtlinge davon abgehalten werden, falsche Angaben zu machen (siehe Absatz „Sanktionierung von Falschangaben bei der Familienzusammenführung“).
Kritisch an der vereinfachten Familienzusammenführung ist, dass in Deutschland und in Schweden bereits sehr viele Flüchtlinge und subsidiär Geschützte leben. Bei der Umsetzung der Familienzusammenführung müsste daher auf eine strenge Kontingentierung und zahlenmäßige Einschränkung geachtet werden. Da die aufgenommenen Familienmitglieder auf die Quote angerechnet werden sollen, würden Deutschland und Schweden bei verstärkten Familienzusammenführungszahlen de facto keine neuen Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte aufnehmen müssen. Über die Familienzusammenführung kann es also nicht zu einer Massenzuwanderung und Überlastung kommen, da bei Überschreiten der Quote auf andere Länder umverteilt werden müsste. Ob dieser gut gemeinte Mechanismus real umsetzbar ist, bleibt fraglich.

3. Zuständigkeit des Erstaufnahmelandes
Das Ersteinreiseland bleibt auch unter dem neuen System unverändert für die Registrierung aller ankommenden Flüchtlinge und das noch nicht definierte Transitverfahren (siehe Absatz “Einführung eines neuen Transitverfahrens zum Ausschluss und zur Rückführung von Wirtschaftsmigranten und Sicherheitsgefährdern“) zuständig. Vorteil einer solchen Regelung wäre, dass Wirtschaftsflüchtlinge und Sicherheitsgefährder an der Grenze identifiziert würden und von dort aus direkt in die Heimat zurückgeführt würden. Für den Fall, dass illegal eingewanderte Wirtschaftsmigranten oder Sicherheitsgefährder in einem anderen Mitgliedsstaat aufgefunden werden, würden sie entweder in das Ersteinreiseland oder unmittelbar in die Heimat zurückgeführt. Auch dieses Verfahren müsste neu geregelt werden. Nachteil am vom Wikström vorgeschlagenen Verfahren ist, dass das Erstlandsprinzip, so wie wir es kennen, nach welchem bei der irregulären Einreise der Ersteinreisestaat automatisch für das Asylverfahren zuständig ist, aufgegeben würde. Das Erstlandsprinzip hat jedoch nur in Normalzeiten, aber nicht in der Krise funktioniert. Vorteil einer solchen Regelung wäre, dass Deutschland die Entscheidungen aus Transitverfahren, z.B. aus Griechenland oder Italien, nicht einfach anerkennen müsste, sondern jederzeit überprüfen und revidieren könnte. Nach dem Transitverfahren im Ersteinreiseland ist dieses nur für die Zahl von Asylbewerbern zuständig, die gemäß Quote auf das Ersteinreiseland fallen und für die Fälle, in denen sich Familienangehörige im Ersteinreiseland befinden, die jedoch auf die Quote angerechnet würden.

Insbesondere in den kritischen Punkten, besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie im Trilog-Verfahren nachgebessert werden können, da diese Punkte auch von den Mitgliedstaaten kritisch bewertet werden. Als Gesamtkompromiss für die Eröffnung von Verhandlungen und als starkes Signal der Verhandlungsbereitschaft an den Rat ebnet die Position des Parlaments jedoch den Weg für eine grundlegende Reform des Dublin-Systems.

 

Hintergrundinformationen

BERICHT über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung)

Parlamentarischer Prozess des Berichts

Dossier “Legal migration and integration” des zuständigen Ausschusses “Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE)”