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6. Juli 2022

Taxonomie & Energie

Das Thema hat viele Menschen in den letzten Wochen sehr bewegt. Mit der sogenannten Taxonomie werden einheitliche Standards für nachhaltiges Wirtschaften festgelegt. Dazu stellt sie Kriterien auf, wann ein Investment zu einer klimaneutralen Zukunft beiträgt.

Damit sollen milliardenschwere Finanzströme privater Anleger in saubere Energieerzeugung und den Klimaschutz gelenkt werden. Dazu hatte die Europäische Kommission einen delegierten Rechtsakt vorgelegt, in dem unter bestimmten Umständen sowohl der Bau neuer Atomkraftwerke als auch neue Gasinfrastruktur als nachhaltig eingestuft werden.

Das wurde auch innerhalb der CDU/CSU-Gruppe kontrovers diskutiert. Sowohl Befürworter als auch Gegner haben valide Argumente. Ich habe gegen den Vorschlag der Kommission und die damit verbundene Einstufung von Atom und Gas als nachhaltig gestimmt.

Grundsätzlich halte ich die Nutzung von Gas für eine Übergangszeit für richtig, damit die EU ihre ambitionierten Klimaziele erreichen kann. Es ist richtig, jetzt in eine wasserstofffähige Gasinfrastruktur zu investieren. Dazu gehören auch Kraftwerke. Gas bleibt eine wichtige Brückentechnologie und sie ist in der Taxonomie auf Zukunft und Nachhaltigkeit ausgelegt. Der deutsche Weg, jetzt verstärkt auf LNG zu setzen, ist ebenfalls richtig. Deshalb brauchen wir natürlich zügig den Ausbau von LNG-Terminals. Unter der nun angenommenen Regelung können aber alternative Infrastrukturen wie LNG-Terminals und LNG-Schiffe nicht finanziert werden. Das war für mich ein Schwachpunkt.

Zu einer fairen Betrachtung gehört auch: Viele Länder in Europa wollen ihre CO2-Ziele mit Kernenergie erreichen. Natürlich ist es nicht das, was ich mir unter Nachhaltigkeit vorstelle. Aber man wird auch anerkennen müssen: Frankreich, Finnland und andere setzen hier auf einen Energieträger, der aus Klimasicht weitaus besser ist als Kohlekraftwerke. Die nämlich will aktuell die Ampel-Regierung weiter nutzen. Trotzdem: Wir haben bis heute kein überzeugendes Konzept für eine Endlagerung. Und: Wenn Deutschland aussteigt, andere aber weiter Kernkraftwerke bauen, dann lenken wir Investitionen nicht in unsere eigenen Energiestandorte. Das finde ich schwierig.

Nun haben einige Kritiker der Taxonomie-Kriterien zu Gas und Atom außerdem aufgeführt, man spiele dabei Russland in die Hände. Als Referenz zieht man dazu ein Schreiben des ukrainischen Botschafters heran. Zur Ehrlichkeit gehört aber: Diesen Brief musste Melnyk zurückziehen. Ganz im Gegenteil: Der ukrainische Energieminister Galushchenko hat uns gestern ausdrücklich aufgefordert, für den Vorschlag der Kommission zu stimmen. Wieder einmal zeigt sich: Die Dinge liegen nicht so einfach, wie sie scheinen. Und natürlich hofft man in der Ukraine, mit großen Gasspeichern und mit den Atomkraftwerken eine Rolle in der europäischen Energiepolitik zu spielen.

Die von der Kommission festgelegten Kriterien berücksichtigen all diese Schwierigkeiten zu wenig. Um es klar zu sagen: Es ist ein französisch (Atom) – deutscher (Gas) Regierungskompromiss, den die Kommission dem Parlament vorgelegt hat. Änderungen und Verbesserungen waren nicht mehr möglich. Wir müssen uns als Europäisches Parlament auch selbstkritisch sagen: Solche strittigen Themen darf man nicht im Anschluss in delegierten Rechtsakten regeln wollen, diese Themen müssen vorher vom Parlament in der Gesetzgebung selbst diskutiert und entschieden werden.

Die Mehrheit des Parlamentes hat sich nun hinter den Kommissionsvorschlag gestellt und Gas und Kernenergie als nachhaltig eingestuft. Wir werden sehen, wie der Rat mit dem Ergebnis umgeht oder ob Klageverfahren wie von Österreich angekündigt Erfolg haben können. Die Energiepolitik jedenfalls bleibt eine riesengroße Herausforderung für Europa.