„Menschen am Rande der Gesellschaft nicht in Konkurrenzsituationen bringen“
Europapolitiker Jens Gieseke informiert sich im Emsland über Caritasarbeit
Drei emsländische Stationen standen exemplarisch für die Arbeit der Caritas, über die sich jetzt Jens Gieseke, Mitglied des Europäischen Parlaments (MdEP) informierte.
Caritas-Werkstätten Dörpen: A-Lieferant mit Niedersachsens höchstem Lohn
Den Start machte Gieseke in Dörpen, wo er die Caritaswerkstätten nördliches Emsland besuchte.An ihren Standorten in Dörpen, Börger und Papenburg erzielen die Werkstätten mit 808 behinderten Mitarbeitenden einen jährlichen Umsatz von rund 13 Millionen Euro. Auftraggeber sind die Meyer-Werft, die Krone-Werke, der Vogelfutter-Hersteller Vitakraft und etliche regionale Unternehmen, für die die Werkstätten unterschiedlichste Produkte herstellen.
Eine der vielen Tätigkeiten in der Dörpener Werkstatt ist die Fertigung von aufgerollten Kabeln. Werkstattleiter Hubert Vinke, Geschäftsführer Heinz-Bernhard Mäsker, Jens Gieseke und der Dörpener Samtgemeidebürgermeister Hermann Wocken (stehend von lks) lassen sich von zwei Mitarbeitenden die Arbeit erklären.
Fachbereichsleiter Andreas Frische und Werkstattleiter Hubert Vinke unterstrichen stolz die Leistung ihrer Mitarbeitenden: „Für die Meyer-Werft sind wir zum Beispiel A-Lieferanten. Das wird man nur, wenn man sehr zuverlässig und leistungsfähig ist.“ Entsprechend gut ist die Bezahlung der Mitarbeitenden: Das Lohnniveau ist mit durchschnittlich 400 Euro/Monat deutlich an der Spitze der Werkstätten in Niedersachsen.
Die Werkstätten gehören zum St.Lukas-Heim, das ein vielfältiges Angebot für Menschen mit Behinderungen vorhält. Hier werden ca. 1400 behinderte Menschen mit über 1000 Mitarbeitenden im stationären und teilstationären Bereich betreut. Im Gespräch mit Gieseke betonte der Geschäftsführer der Caritaseinrichtung, Heinz-Bernhard Mäsker, dass das Thema Inklusion „obenauf“ liege und das man die Entwicklung mit gemischten Gefühlen sehe: „Man muss die Geschwindigkeit rausnehmen, denn die Menschen mit Behinderungen brauchen besondere Rahmenbedingungen. Wenn man die nicht umsichtig schafft, dann ist das Scheitern vorprogrammiert.“ Die Leidtragenden sind die Menschen mit Behinderungen, denn sie gehen mit großen Erwartungen in de Regelschulen und später in Lehrstellen und in ihre Arbeitsstellen. Wenn sie dort wegen fehlender Voraussetzungen scheitern, „dann ist das brutal“, so Mäsker. Gieseke sah das genauso: „Hier ist richtige und passgenaue Unterstützung wichtig.“
In der Schlosserei wird für die Meyer-Werft gearbeitet. Geschäftsführer Heinz-Bernhard Mäsker, die Vorsitzende des RAG-Sprecherrates Margret Kröger, Jens Gieseke, Werkstattleiter Hubert Vinke, Fachbereichsleiter Andreas Frische und Samtgemeindebürgermeister Hermann Wocken informieren sich bei einem Werkstatt-Mitarbeiter.
Innovative Konzepte für die Suchtkrankenhilfe
Die zweite Station der Besuchsreise lag in der Heimat von Jens Gieseke: Ziel war die Fachklinik Emsland in Sögel. Dort werden noch bis April 30 drogenabhängige Männer therapeutisch begleitet, damit sie ihre Sucht beherrschen und einen Zugang in den Arbeitsmarkt finden. Zukünftig wird die Behandlung in der neuen Fachklinik Hase-Ems in Haselünne durchgeführt, die ab April ihre Arbeit aufnimmt. Der Leiter des Caritas-Geschäftsbereichs Suchtprävention und Rehabilitation Conrad Tönsing stellte Gieseke das Spektrum der Caritas-Suchthilfe vor. Dabei verwies Tönsing auch auf die Kooperationsprojekte mit Partnern in den Niederlanden und Polen. Das Konzept der sögeler Fachklinik erläuterte Einrichtungsleiter Bernd Röben, die therapeutische Leiterin der Haselünner Klinik, Katrin Hildebrandt und die leitende Ärztin Dr. Stefanie Houchangia berichteten über das Behandlungskonzept der neuen Einrichtung. Eine Besonderheit der emsländischen Fachklinik ist die Behandlung der Abhängigen unter Substitution.
Auf Giesekes Frage nach der Akzeptanz des Hauses in Sögel lächelte Bernd Röben: „Als wir vor 18 Jahren mit unserer Arbeit angefangen sind, waren wir im Volksmund das Drogenzentrum. Dann wurden wir die Therapeutische Gemeinschaft, heute sind wir als Fachklinik bei den Nachbarn und in der Stadt anerkannt.“
Immer mehr Wohnungslose im Emsland
Zum Mittagessen traf Gieseke in der letzten Station seines Besuchs ein: In der Wärmestube Meppen hatte die Leiterin Elisabeth Behnes eine Gulaschsuppe aufgesetzt – der passende Rahmen, um zusammen mit Caritas-Geschäftsführer Marcus Drees, dem Fachbereichsleiter Andreas Hackling und Sozialarbeiter Alexander Menke über den Alltag der Caritas-Wohnungslosenhilfe und der Wärmestube der Kirchengemeinde zu sprechen.
Menke machte dem Gast deutlich, dass die Zahlen der Wohnungslosen steigen: In 2014 wurden 249 Personen betreut, im Vorjahr waren es 220. Besonders beunruhigend ist die steigende Zahl junger Betroffener: Im vergangenen Jahr waren 35 der Betreuten jünger als 25. Ein besonderes Problem für die Helfer sind fehlende bezahlbare Wohnungen. Alexander Menke: „Im Emsland wird bezahlbarer Wohnraum immer knapper. Unsere Klienten stehen dann am Ende der Warteschlange, denn die meisten Vermieter wollen mit Wohnungslosen nichts zu tun haben.“ Seit Jahren steht der Caritasverband daher als Vermittler zur Verfügung: Im Projekt „Wohnung statt Parkbank“ mietet die Caritas Wohnungen an, um sie dann an Wohnungslose weiter zu vermieten. Der Vermieter hat damit einen verlässlichen Ansprechpartner.
Für die Wärmestube berichtete Elisabeth Behnes über steigende Gästezahlen, da sich auch viele Flüchtlinge an die kirchliche Einrichtung wenden.
„Gestern waren hier 60 Personen“, so die Leiterin, die seit 20 Jahren das Projekt ehrenamtlich begleitet. Dass zunehmend mehr Flüchtlinge das Angebot annehmen, führe mitunter zu Spannungen mit den Wohnungslosen,
berichtete Frau Behnes weiter. „Das können wir aber bisher gut regeln.“ Caritas-Geschäftsführer Drees unterstrich die Leistung der 20 Ehrenamtlichen: „Die Gäste erfahren hier Achtung und Wertschätzung, die sie sonst in ihrem Alltag nicht erleben. Hier ist ein ganz wichtiger Ort für Meppen.“
Jens Gieseke zeigte sich beeindruckt von der der Arbeit der Fachleute und der Ehrenamtlichen: „Die Ehrenamtlichen und die Mitarbeiter leisten hier vorbildliche Arbeit!“ Gieseke weiter: „Menschen am Rande der Gesellschaft sollten nicht in Konkurrenz zueinander gebracht werden. Ihnen muss einfach geholfen werden.“
(Text/Bilder: Roland Knillmann)